1.1 Wegerecht I
Es
gibt einen (Privat-) See im schönen Absurdistan, dort, wo Wassersport
einfach dazugehört und wo man nicht mehr Scheine verlangt, als der
Gesetzgeber vorgeschrieben hat - sehr zum Leidwesen aller
Verbandsfunktionäre -, auf diesem See hatten die Eigentümer in der
Nutzungsordnung festgelegt, dass - da nicht alle Nutzer
vorschriftenkundig seien - generell ein "Rechts-vor-links" gelte. Ob
das noch gülig ist? Nicht auszudenken, was im Falle eines
Personenschadens die Juristen dazu sagen könnten, denn vor Gericht ist
man - wie auf Hoher See - allein in Gottes Hand...
Zum Glück
gibt es eine gültige Rechtslage, wonach
derjenige sich freihalten muss, der
kein Wegerecht hat, und
derjenige Wegerecht hat, der
sich nicht freihalten muss.
Vorbemerkungen1. Meiner Mutter selig erzählte einst ihr Fahrschullehrer von der Grabstein-Inschrift:
"Hier ruht einer, der Vorfahrt
hatte".
2.
Berufsverkehr
hat Vorrang vor der Sportschifferei, die Barkasse also Wegerecht, nicht
aber das vereinseigene oder -fremde Motorboot, doch bleibe der
obigen Grabstein
unvergessen.
3.
Segler haben Wegerecht gegenüber Nicht-Seglern,
und Surfer sind ...
STOP hier war was falsch!
... Surfer sind in manchen Revieren sehr wohl Segler, in anderen nicht
(das werde ich gelegentlich mal erläutern). Also macht's wie mit den
Motorrädern auf der Autobahn: Gebt Ihnen Narrenfreiheit!
Surfer sind im Zweifel Segler!!!4.
Regatta-Teilnehmer haben de jure kein Wegerecht gegenüber
Nicht-Teilnehmern, sondern können nur auf deren Verständnis hoffen.
5.
Auch in Regatten ist das gewaltsame
Durchsetzen des Wegerechts nicht
mehr gestattet, Bootsberührungen sind auszuschließen, wenngleich alte
Regattahasen immer noch mit längst abgeschafften "Quer-ab"-Regeln
kommen...
Nun zu uns Seglern (Dickschiff-Skipper eingeschlossen)
Über allem steht:
keine Kollisionen !
In einer Regatta werden beide Boote disqualifiziert - unabhängig vom Wegerecht.
R1. "
Segel links, Vorfahrt bringt's"
[ bei Wind von unterschiedlichen Seiten ]Wannimmer
zwei Segler auf
unterschiedlichem Bug segeln, d.h.
mit dem Wind von
unterschiedlicher Seite, also
der eine das Großsegel links (auf
Backbord mit Wind von Steuerbord) führt und der
andere rechts,
dann und
nur dann gilt, dass
das Boot mit Groß auf Backbord Wegerecht hat,
das Boot mit Groß auf Steuerbord sich freihalten muss
(die nachfolgenden Regeln
2a & 2b & 2c treffen dann nicht zu!).
Die erste Frage ist also stets: Segel
auf unterschiedlichen Seiten - ja oder nein? Auch
wer als eigefleische(r) Seemann/-frau rechts vor sich das grüne
Wantenbändsel sieht (also das Groß-"Segel links" an Backbord
führt), kommt nicht umhin zu schauen, ob der Andere nicht
vielleicht für sich dasselbe sieht: Dann nämlich ... (s.2) ...
Fallt nicht auf solch' blöde Legenden herein!
Wer
das Großsegel an Backbord führt, hat Wegerecht gegenüber dem an Steuerbord.
Die
Begriffe "Backbord-/Steuerbord-Bug" wurden schon sehr missverständlich
gebraucht, deshalb bleibe
ich als alter Sturkopp bei "links"!
Zwar gibt's platt vorm Laken eigentlich keinen Wind von
irgendeiner Seite, sondern nur von achtern, aber kennzeichnend bleibt die Stellung des Großsegels.
Es ist völlig irrelevant, wer in Lee und wer in Luv liegt oder wer achteraus oder voraus liegt!
2.
Wenn die Boote auf
demselben Bug segeln, d.h.
mit dem Wind von derselben Seite, also
ihre Großsegel auf
derselben Seite führen
- egal ob auf Backbord oder auf Steuerbord -,
dann und
nur
dann gilt nicht obige Regel 1, sondern eine der folgenden:
R2a. "
Lee vor Luv" (E vor U)
[ bei Wind von gleicher Seite mit Überlappung ]Liegt
ein Boot nicht klar voraus bzw achteraus zum anderen, dann "überlappen"
sie sich und eines liegt in Luv (in Windrichtung näher zum Wind) und
das andere in Lee
(Bild noch in Arbeit)
und dann und
nur dann gilt, dass
das Leeboot Wegerecht hat,
das Luv-Boot sich freihalten muss.
(Erstes Bild in Überarbeitung)
[ bei Wind von gleicher Seite ]
Merke:Ein Lee-Boot befindet sich auf der Lee-Seite des eigenen Bootes, also hinter dem eigenen Groß,
das Luv-Boot beindet sich auf der Luv-Seite des eigenen Bootes, also im Rücken des Jollen-Skippers.
Es ist völlig irrelevant, wer weiter vorn liegt und wer zurück oder auf
welcher Seite das Groß steht (da es ja bei beiden Booten auf derselben
Seite steht)!
* * *
R2b. "
Vorn geht vor"
[ bei Wind von gleicher Seite ohne Überlappung ]Liegt
ein Boot klar voraus bzw klar achteraus zum anderen, dann "überlappen"
sie nicht
dann und
nur dann gilt, dass
das
Boot klar voraus Wegerecht hat,
das klar achteraus liegende sich freihalten muss.

Die
Zustände "klar voraus" und "klar achteraus" ergeben sich nur, wenn
Boote sich nicht überlappen, sich also keins im "Schatten" des anderen
befindet.
Es ist völlig irrelevant, wer näher am Wind liegt oder auf welcher
Seite das Groß steht (da es ja bei beiden Booten auf derselben Seite
steht).
Noch einmal zum x-ten Mal:
R1 "Segel links, Vorfahrt bringt's" ist die erste, oberste Regel.R2a bzw R2b gelten nur, wenn R1 nicht gilt (weil nämlich die Segel auf der gleichen Seite stehen),es gilt dann
entweder 2a "Lee vor Luv" (wenn nämlich Überlappung
oder 2b "Vorn geht vor" (wenn nämlich keine Überlappung)
Es gilt also stets nur eine der drei Regeln - ganz eindeutig:
ALSO:
1. Frage: Wind von unterschiedlichen Seite?
Ja > R1 "Segel links - Vorfahrt bringt's"
Nein > 2. Frage: Überlappung?
Ja > R2a "Lee vor Luv"
Nein > R2b "Vorn geht vor"
3. An dieser Stelle wollen wir uns gleich einige
Ergänzungen für Regatten
einbläuen, da sie in direktem Zusammenhang stehen mit bisherigen
Ausführungen. Es sind Ergänzungen, die einen fairen Wettbewerb
sicherstellen sollen; es sind keine Änderungen!
3a. Neu-Überlappung [ bei Wind von gleicher Seite ]
Wenn ein klar
achteraus liegendes Boot zum Überholen ansetzt und
eine Überlappung
herstellt,
ändert sich die Wegerechtssituation, denn statt R2b (ohne Überlappung)
"Vorn geht vor" gilt ja von diesem Augenblick an R2a (mit Überlappung)
"Lee vor Luv". Dazu ergänzen die Wettfahrtsregeln
(§ 17):
(1) Bei
Überholung in Luv,
wobei der Wind den Überholer begünstigt, aber bei dem Überholten als
Lee-Boot das Wegerecht bleibt, darf der Überholte den Überholversuch dadurch
abzuwehren versuchen, dass er sogar über den richtigen Kurs (das ist der
vernünftige Kurs zum nächsten Teilziel) hinaus anluvt - allerdings nur
so, dass für den Überholer auch eine Ausweichmöglichkeit bleibt.
(2) Bei
Überholung in Lee,
was
dem Überholer nun Wegerecht gibt, darf dieser nicht den Überholten
"abquetschen", indem er über den richtigen Kurs hinaus anluvt.
Ebensowenig darf der Überholte den Angriff durch Abfallen
abwehren, denn er muss sich als Luv-Boot ja freihalten, der Überholer
in Lee hat ab der Überlappung Wegerecht.
Beide Regeln sollen das Überholen erschweren, gelten aber auch nur bei Wind von gleicher Seite; R 1 "Segel links, Vorfahrt bringt's" bleibt vorrangig. Und sie gelten erst nach dem Startsignal (da es vorher noch keinen richtigen Kurs gibt).
Das frühere Recht ("Mast querab"), den Anderen abzuquetschen, gilt nicht mehr!
* * *
3b.
Auf Regatten:
Ketten-Überlappung
[ bei Wind von gleicher Seite ]
Wenn sich
in einer Gruppe zwei Boote
überlappen und das
zweite mit einem dritten (u.s.w), dann gilt die ganze Kette als
überlappt, also auch das erste Boot mit dem dritten (u.s.w.) - auch
dann, wenn das dritte Boot zum ersten klar achteraus liegt.
Für alle gilt (
Segel auf gleicher Seite vorausgesetzt!) R2a "Lee
vor Luv". Führt eines der Boote das Segel auf der anderen Seite, gilt
für dieses natürlich wieder R1 " Segel links...".
[Bild folgt]